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Zu dem Verlauf meiner ALS befragte mich mein Freund Ralf (Hacko) Ketelhut. Da ich aber nicht mehr sprechen kann, übernimmt meine Computerstimme (von Hacko" Gustav" genannt) diese Aufgabe. Manchmal kann man Gustav schlecht verstehen, so wird zum Beispiel aus ALS ->als.

Solltet ihr etwas nicht verstanden haben, fragt einfach über das Gästebuch.



Sag ´mal Moiki, wann hast Du zum ersten Mal gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

Hacko

Die ersten Anzeichen hatte ich im September 2008. Ich war als Dozent in der Volksbanken und Raiffeisenbankenakademie in Klein Plasten.Mein Kollege forderte mich auf ,Tischfußball zu spielen. Er hätte noch nie verloren, so seine Worte.

Beim Spielen merkte ich, dass die Drehbewegungen der linken Hand nicht so recht funktionierten.Allerdings habe ich mir nichts dabei gedacht. Übrigens verlor ich an dem Abend kein Spiel ´lach.

Ich machte zu dem Zeitpunkt morgens immer meine Liegestütze,auch hier merkte ich, dass ich schwächer wurde.

Moiki

Wie war dann der weitere Verlauf?

Hacko

Im November spielten wir mit den Alten Herren von Torpedo ,eine geile Truppe, unser letztes Saisonspiel.Ich fühlte mich wie eingerostet.Nach dem Spiel beim Duschen, hatte ich starke Faszikulationen, das sind Muskelzuckungen ,am Schlüsselbein.Es sah aus, als ob ein großer Käfer unter der Haut krabbelt. Ich zeigte es noch einem Mannschaftskollegen,einem Allgemeinmediziner.Seine Reaktion war lediglich ein Schulterzucken,was beweist, wie unbekannt die Symptome meiner Krankheit sind.

Moiki

Ich habe etwas von einem Schlüsselbeinbruch gehört

Hacko

Du hast richtig gehört Hacko. Es waren gleich zwei Brüche.Einmal im Februar 2009 und im Mai noch einmal. Ich konnte mich beim Fallen einfach nicht abstützen. Beim zweiten Spiel, bzw Turnier, hatte ich das Gefühl, ich laufe auf Stelzen.

Moiki

Wenn ich richtig gehört habe, warst Du bisher nicht beim Arzt. Hast Du denn jetzt regiert?

Hacko

Stimmt, ich habe am 1.Juli 2008 einen neuen Job angefangen und wollte einfach nicht krank sein. Deshalb habe ich nur das Krankenhaus und keinen Arzt bisher besucht. Nach dem zweiten Bruch habe ich mir bei einem Mannschaftskollegen der Nord-Ostsee Auswahl, Doktor Winfried Brieske,einen Termin geholt. Winnie sah sich mein Schlüsselbein an, lauschte meinen Erläuterungen und sah sich spontan den vermeintlichen Muskel zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger an.Wieso vermeintlichen Muskel werdet Ihr euch fragen. Ganz einfach, da war kein Muskel mehr. Winnie schickte mich zu einem Neurologen, machte mir keine Angst, sprach lediglich davon, das etwas abgeklärt werden müsste. Auf dem überweisungsschein für den Neurologen stand: Verdacht auf Motoneuronenerkrankung.

Moiki

Das war also das erste Mal, dass Du mit ALS konfrontiert wurdest?

Hacko

Stimmt, natürlich habe ich gegoogelt. Motoneuronenerkrankung, ein nettes Wort für ALS. Als ich die Symptome nachlas,war mir alles klar. Ich habe ALS.

Moiki

Wie hast Du Dich denn bei dieser Erkenntnis gefühlt?

Hacko

Ganz ehrlich Hacko, ich weiß es nicht mehr. Zumindest war ich nicht so geschockt, dass es mir in Erinnerung geblieben wäre.

Moiki

Aber nach deiner Selbstdiagnose hast Du es doch abklären lassen oder?

Hacko

Ja, ich war erst im FEK und dann in der Uniklinik in Kiel. Als man mir die höchstwahrscheinliche Diagnose sagte, war ich doch niedergeschlagen und Tränen flossen.Schlimm war in diesem Moment, dass mich keiner in den Arm nehmen konnte.

Moiki

Das kann ich nur zu gut verstehen, schließlich hattest Du quasi Dein Todesurteil erhalten.

Hacko

Richtig, zumindest im ersten Ansatz. Als ich wieder zu Hause war, fing ich sofort an nach Alternativmethoden zu suchen. Und ich wurde im Laufe der Zeit fündig. Es gibt tatsächlich Alternativen zum einzig zugelassenen Medikament. Übrigens wirkt dieses Medikament sage und schreibe ca. 3 Monate lebensverlängernd,bei entsprechenden Nebenwirkungen und für ca. 500 € monatlich.

Moiki

Es gibt wirklich keine Möglichkeit diese Krankheit zu bekämpfen?

Hacko

Inzwischen bin ich überzeugt, dass es die Möglichkeit gibt, den Verlauf zumindest zu stoppen. Es kommt allerdings drauf an, wie aggressiv die krankheit ist. Bei einigen tritt der tod sehr schnell ein,Andere leben Jahre und Jahrzehnte damit. Trotzdem kenne ich inzwischen 3 Personen, welche die krankheit stoppten.Interessant dabei ist, dass alle den gleichen Weg verfolgen.

ALS hat extrem unterschiedliche Verläufe,deshalb ist es sehr wichtig eine intensive Blut-,Stuhl – und Urinuntersuchung machen zu lassen, um Defizite festzustellen. Einzelheiten spare ich mir an dieser Stelle. Wer Informationen möchte, kann mich gerne fragen.
Moiki

Das hört sich interessant an. Ich selbst werde Dich auch noch einmal fragen, um das Thema zu vertiefen. So, du hattest also die Bestätigung, es ist ALS. Wie ging es weiter?

Hacko

Nach einem Umzug, ich konnte nicht mehr die vielen Treppen steigen, verreiste ich erst einmal. Drei Wochen Florida mit Kreuzfahrt nach Jamaika, die Grand Cayman Insel und Key West.

Im Anschluss mit der Aida erst in die karibik, über den Atlantik zurück und dann das gesamte Mittelmeer. Solange ich noch laufen konnte, wollte ich reisen.

Moiki

Das kann ich gut nachvollziehen. Hätte ich wohl auch gemacht. War im Anschluss nicht Dein erstes Turnier?

Hacko

Ja, mein erstes Turnier war Anfang Juni bei Olympia. Das war eine tolle Geschichte. Ca. 300 ehemalige Weggefährten waren da. Damals wusste ich noch nicht, dass ich beatmet werden möchte,insofern wollte ich alle noch einmal sehen. . Ich wollte unbedingt den Anstoß ausführen, was ich auch tat.Geld haben wir auch gesammelt, zugunsten hilfsbedürftiger Kinder in Sri Lanka. In der Einrichtung gibt es inzwischen ein Stefan Moik Haus. Darauf bin ich sehr stolz.

Moiki

Aber das war nicht das einzige Turnier oder?

Hacko

Nein, es folgten vier weitere. Erst 2015 haben wir mal ausgesetzt. Insgesamt haben wir fast 5000 € zugunsten hilfsbedürftiger Kinder gesammelt. Daher auch der Name Childrens Cup.

An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei allen Helfern bedanken.

Moiki

Mich interessiert, wie der weitere Verlauf war. Hast beziehungsweise hattest Du Schmerzen?

Hacko

Nein,bis auf krämpfe keine Schmerzen. Die waren allerdings am hals sehr unangenehm.

Ich konnte immer schlechter essen und trinken, so dass ich nur noch Suppe mit Proteinen zu mir genommen habe. Kurz vor der Magensonde wog ich noch circa 55 Kilo

Moiki

Du hast mal etwas zu mir gesagt, dass Du keine lebensverlängernden Maßnahmen möchtest. Gehört eine Magensonde nicht auch dazu?

Hacko

Stimmt Hacko, schuld hatte, wie sollte es auch anders sein, natürlich eine Frau. Lach. Sie hat mir versichert, bei mir zu bleiben, egal was passiert. Wir sind heute noch zusammen und führen eine ganz normale Beziehung. Auf Details in diesem Zusammenhang möchte ich lieber nicht eingehen ´grins

Moiki

So genau wollte ich es auch nicht wissen ´lach. Beatmet bist Du auch.

Hacko

Ja, nunmehr seit drei Jahren.

Moiki

Wie kam es dazu?

Hacko

Ich fühlte mich Anfang Mai 2013 nicht gut. Mein Hausarzt gab mir eine Infusion,ich glaube es waren vitamine. Trotzdem bekam ich, aus heiterem Himmel, eine Kohlendioxidvergiftung.Meine Muskeln schafften es nicht mehr vernünftig auszuatmen.Ich schlief quasi ein. Die pflegekraft war total apathisch .Zum Glück war meine Partnerin da.Sie hielt mich bei, wenn auch eingeschränktem Bewusstsein, bis der Notarzt kam. Ich bekam sofort Sauerstoff über eine Maske. Da das nicht reichte wurde ich noch im Krankenwagen intubiert. Sonst hätte ich die Fahrt nicht überlebt.

Moiki

Kannst Du Dich an irgendetwas erinnern?

Hacko

Nein Hacko, kann ich nicht. Ich bin einfach eingeschlafen, alles war friedlich und dunkel. Eine echte Grenzerfahrung. Man hat mir hinterher einiges erzählt.

Moiki

Nun warst Du also im Krankenhaus. Was ist da passiert?

Hacko

Das ist eine lange Geschichte, ich werde mich auf das Notwendigste beschränken.

Ich kam auf die Intensivstation, nach einem Tag bekam ich eine Lungenentzündung. Dann wurde ich in ein künstliches Koma gelegt. Zuerst wollte ich mich nicht hinein versetzen lassen, ich brauchte die dreifache Dosis des normalen. Nach 10 Tagen war ich innerhalb eines halben Tages wach. Normal sind circa 2 Tage. Auch die Lungenentzündung überstand ich innerhalb kurzer Zeit. Von den Beruhigungsmitteln hatte ich schreckliche Albträume. Erst auf Station erfuhren wir, dass ich eine viel zu hohe Dosis bekam. Die ersten Tage auf Station waren, gelinde gesagt, fürchterlich. Stelle Dir mal vor, du kannst nicht rufen, nicht klingeln, Dich nicht bemerkbar machen. Per einstweiliger Verfügung hat meine gute Fee dann erwirkt, dass meine Pflegekräfte bei mir sein durften. Ab da ging es mit mir aufwärts. Insgesamt verbrachte ich 5 Wochen im Krankenhaus. Das war im Mai und Juni 2013.

Moiki

Das hört sich nicht gut an. Krankenhaus ist ja eh schon schlimm. Aber nach den 5 Wochen warst Du dann wieder zu Hause.

Hacko

Ja zum Glück. Es war wirklich eine schlimme Zeit, aber ab da ging es aufwärts. Im Krankenhaus konnte ich keinen Muskel mehr anspannen. Jetzt kann ich sogar wieder ein Gerät namens Motomed, das ist ein Fahrrad, selbst bedienen, also treten. ´Lach

Moiki

Hat sich sonst noch etwas verändert?

Hacko

Nein, nicht wirklich. Ich habe seit über 2 Jahren mindestens Stillstand, speziell in den Beinen baue ich Muskeln geringfügig auf. Ich habe meine Mimik noch, was in der Kommunikation vieles erleichtert.

Moiki

Prima Moiki, dann trainiere bloß weiter. Möchtest Du noch etwas loswerden?

Hacko

Ja, auf jeden Fall. In den vergangenen Jahren habe ich erfahren müssen, dass sogenannte Freunde einem in der Not nicht beistehen,während andere, von denen ich es nicht erwartet hätte, mir kräftig zur Seite stehen. Vielen Dank an all, die mir irgendwie helfen oder geholfen haben.

Moiki

Ich finde, dass ist ein schönes Schlusswort.Danke Moiki.

Hacko